Die Lutherstadt Eisleben besitzt eine umfangreiche regionalgeschichtliche Sammlung, deren Grundstock bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts gelegt wurde. Zum Bestand gehören heute etwa 10.000 Exponate unterschiedlicher Art, wie Münzen, Keramiken, Grafiken, Gemälde, Uniformen, die im Zusammenhang mit der Bergbaugeschichte der Stadt stehen. Neben der Kerßenbrockschen Tellersammlung und einer naturkundlichen Sammlung mit Fossilien sowie einer nahezu komplett erhaltenen und deutschlandweit einzigartigen Geschiebesammlung gehört auch ein beachtlicher Bestand von Vogelpräparaten und Insekten zur Sammlung.
Mit über 6.000 (Ausgrabungs-)Funden aus den Orten der ehemaligen Grafschaft Mansfeld bilden die ur- und frühgeschichtlichen Sammlungen den größten Bereich des Gesamtbestands der Regionalgeschichtlichen Sammlungen. Als deren wohl beeindruckendstes Exponat ist wohl zweifellos ein hochmittelalterlicher Einbaum zu nennen.
Im Zuge der Trockenlegung des Salzigen Sees waren Arbeiter am 14. Dezember 1894 „zwischen Wansleben und Rollsdorf am Ostgestade“ beim Ausheben eines Sammelbeckens auf das maritime Gefährt gestoßen. Das aus einem einzigen Rotbuchenstamm gefertigte Fischerboot hatte sich unter einer gut zweieinhalb Meter dicken, zähen Schicht grauen Tonschlamms konserviert.
Der Fund hatte sich schnell bis nach Eisleben herumgesprochen und den dortigen Vorsitzenden des Vereins für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld, Dr. Hermann Größler, aufhorchen lassen. Der Geschichtsprofessor erwirkte sogleich beim damaligen Oberberg- und Hüttendirektor der Mansfelder Gewerkschaft die Überlassung des Einbaums an den Verein. Vier Tage nach Auffindung traf sich Größler zusammen mit mehreren Mitgliedern des Geschichtsvereins an der Fundstelle. Der Einbaum war zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Grube geborgen und in die Nähe des Stationsgebäudes verbracht worden. Durch den Kontakt mit der Luft war das Holz bereits in dieser kurzen Zeit morsch geworden und drohte an Spitze und Hinterteil zu brechen. Da das wasserdurchdrängte Boot bei einsetzendem Frost und durch den Transport nach Eisleben zusätzlich gefährdet war, wurde der Einbau noch vor Ort durch Größler vermessen und gezeichnet. Der Historiker notierte in seinen Aufzeichnungen: „Die Länge beträgt 6,20 Meter, die größte Breite am hinterem Teile 0,68 Meter; weiter vorn dagegen, da wo der Kahn beginnt sich entschieden zuzuspitzen, 0,50 Meter“. Das flachbodige Boot ist am Heck rund und am Bug spitz zugearbeitet. In der Bootsmitte befindet sich ein Schott (eine durchgehende Wand innerhalb des Schiffs oder Boots), in dem nahe der stammrunden und 5 cm starken Bordwände je eine Bohrung angebracht wurde. Hermann Größler bezeichnete den so abgetrennten Bug als Fischkasten, zumal am Heck eine Art Bank ausgeformt ist. Der Historiker schätze das Alter des Einbaums aufgrund seiner gearbeiteten Form, Herstellungsweise und der meterhohen Abdeckung mit Schlamm auf 2.000 Jahre. Neuere Untersuchungen widerlegten diese Annahme inzwischen. Eine dendrochronologische Beprobung durch das Deutsches Archäologisches Institut Berlin machte eine Fällung der Rotbuche für das Jahr 1165 wahrscheinlich.
Das fragile Fundstück wurde am 29. Dezember 1894 im Schneegestöber und unter großen Beschwerden auf einer Art Schlitten und mit Hilfe von 14 Freiwilligen auf einem Leiterwagen bis in die Nacht hinein nach Eisleben gebracht. Im Gartenhaus des Vereinsvorsitzenden trocknete das Holz ein Dreivierteljahr aus, bevor man eine „gründliche Wiederherstellung des ziemlich beschädigten Fahrzeuges“ vornehmen konnte.
Größlers frommer Wunsch „Möchte es nun auch gelingen, einen bleibenden Standort für ihn [den Einbaum] ausfindig zu machen, der es ermöglich [ihn] allen Freunden des Altertums bequem und bestimmter Zeit zugänglich zu machen“, ist heute eine größere Herausforderung als je zuvor.
Nach der Schließung des Heimatmuseums 2007 wurde der Einbaum in das Stadtarchiv (Alte Gymnasium) am Andreaskirchplatz verbracht. Hier war er zwar ab 2011 als Zentralexponat einer kleinen Ausstellung zur Ur- und Frühgeschichte des Mansfelder Landes unter dem Titel „Vom Faustkeil zu Schwert und Krone“ ausgestellt, doch leider ist dieser Schatz nur nach Vereinbarung oder zu besonderen Anlässen, wie dem Tag des offenen Denkmals zu sehen. Seit geraumer Zeit ist nun auch dieser Standort unsicher, da das Stadtarchiv die Räumlichkeiten als Depotfläche benötigt. Es bleibt abzuwarten, ob und wie weit sich der Stadtrat zu seinem historischen Erbe bekennt.